Die Gründung der Salesianer
Seit Anfang der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts stand für Don Bosco die Frage im Raum, wie die Zukunft der Jugendeinrichtungen strukturell und personell abzusichern sei. An eine Ordensgründung im eigentlichen Sinne war wegen der kulturkämpferischen Gesetze des piemontesischen Staates nicht zu denken. So kam Don Bosco am 26. Januar 1854 mit vier Theologiestudenten zusammen und schlug ihnen vor, sich mit Hilfe Gottes und des hl. Franz von Sales gemeinsam der Nächstenliebe zu widmen, um zu einem geeigneten Zeitpunkt ein Versprechen bzw. ein Gelübde abzulegen.
Diese private Gruppe der ersten „Salesianer“ wurde zur Keimzelle der Kongregation.
Der liberale Minister Rattazzi eröffnete Don Bosco 1857 die Möglichkeit, eine ordensähnliche Gemeinschaft zu gründen – eine Vereinigung von freien Bürgern, die ihre zivilen Rechte behielten und insbesondere nicht auf ihr persönliches Eigentum verzichteten.
Nach einer Unterredung Don Boscos mit Papst Pius IX. im Jahre 1858 war auch von höchster kirchlicher Stelle her der Weg frei zur Gründung der „Gesellschaft des heiligen Franz von Sales“.
Die offizielle Geburtsstunde des Ordens
Die Gründung der salesianischen Gesellschaft war kein punktuelles Ereignis, sondern vollzog sich in vielen kleinen Schritten. Doch am 18. Dezember 1859 lässt sich ein Meilenstein datieren, der heute die Gründung des Ordens markiert. Damals erhielt die Ordensgemeinschaft einen öffentlichen Charakter und eine feste Struktur.
Am 9. Dezember 1859 versammelte Don Bosco 19 seiner engsten Mitarbeiter um sich und vertraute ihnen seinen Plan an: „Diese Kongregation bestand eigentlich schon durch die Regeln, die ihr immer als Tradition beobachtet habt. Jetzt geht es darum, sie in aller Form ins Leben zu rufen. Ihr sollt aber wissen, dass nur die aufgenommen werden, die vorhaben, nach einer ernstlichen Überlegung, die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abzulegen. Ich lasse euch eine Woche Zeit zum Nachdenken.“
Neun Tage später, am 18. Dezember 1859, kamen 17 der ursprünglich 19 Mitarbeiter zur nächsten Konferenz. Sie zeigten sich mit dem Vorschlag Don Boscos einverstanden und wählten ihn zum Generalobern. Zu seinem Obernrat gehörte auch der Subdiakon Michael Rua als geistlicher Direktor. Die salesianische Kongregation war geboren.
Nichtsdestoweniger fand auch weiterhin ein intensives und teilweise hartes Ringen zwischen Don Bosco, dem Staat, der Ortskirche und dem Vatikan um die Gestaltung der Regeln dieser neuen Gesellschaft statt. Dabei ging es u.a. um den Einfluss des Turiner Bischofs – Don Bosco bevorzugte die direkte Unterstellung unter den Papst – um die spirituelle und wissenschaftliche Ausbildung des Nachwuchses und um die „externen Salesianer“. Letztere sollten, dem Wunsch des Gründers entsprechend, als eine Art Dritt-Ordens-Mitglieder in der Welt leben und sich dabei, soweit ihr Stand es gestattete, an die Ordensregeln halten. Dieser Gedanke war offensichtlich zu modern, denn er traf nicht auf die Zustimmung der vatikanischen Kommission. Die endgültige Approbation durch Papst Pius IX. erhielten die salesianischen Konstitutionen am 3. April 1874. Zu diesem Zeitpunkt war die „Gesellschaft des hl. Franz von Sales“ aber bereits fast 15 Jahre alt.
Eine Idee geht um die Welt
Erst am 1. März 1869 erhielt die Ordensgemeinschaft die endgültige kirchliche Anerkennung. Trotzdem wurden schon zuvor Niederlassungen außerhalb Turins aufgebaut: Im Oktober 1863 wurde ein Haus im piemontesischen Mirabello eröffnet, und bis 1880 waren die Salesianer in nahezu allen Regionen des vereinigten Königreiches Italien präsent. 1875 kam es zu ersten Gründungen im Ausland und zwar im französischen Nizza und im argentinischen Buenos Aires. Noch zu Lebzeiten Don Boscos kamen weitere Länder hinzu: Uruguay (1876), Spanien (1881), Brasilien (1883), Österreich, Chile und Großbritannien (1887).
Unter den von den Salesianern geleiteten Einrichtungen gab es Oratorien, Schulen, Lehrwerkstätten, Internate, Waisenhäuser, Erziehungsheime, Pfarreien, Missionen und Ausbildungshäuser für den Ordensnachwuchs.
1884 erhielt der Orden von Leo XIII. (1810–1903, Papst 1878) dieselben Privilegien, über die auch schon die Redemptoristen verfügten, d. h. die langersehnte weitgehende Entfernung vom Einfluss der Ortsbischöfe, welche es ermöglichte, in den verschiedenen Diözesen nach einheitlichen Grundsätzen zu arbeiten. Außerdem schrieb Don Bosco, der bei zunehmendem Wachstum seiner Gemeinschaft feststellen musste, dass das Leben in den salesianischen Einrichtungen nicht mehr den Schwung und die Atmosphäre früherer Zeiten hatte, am 10. Mai 1884 seine berühmten Briefe aus Rom an die Jugendlichen und Mitbrüder in Turin.
Der berühmte Brief aus Rom
Darin zeichnete er sicherlich ein Idealbild der Anfänge des Oratoriums, hinterließ aber zugleich so etwas wie ein pädagogisch-pastorales Testament, in dem er die Notwendigkeit der Assistenz und des familiären Umgangs betonte. Es sei wichtig, so Don Bosco, dass die Jugendlichen nicht nur geliebt würden, sondern dass sie dies auch spürten.
Als der Priester und Erzieher am 31. Januar 1888 in Valdocco starb, gab es 773 Salesianer und 276 Novizen in insgesamt 58 Niederlassungen. Die Don Bosco Schwestern zählten 415 Professen und 164 Novizinnen in 54 Häusern. Auch die 1876 entstandene „Vereinigung der Salesianischen Mitarbeiter“, mit deren Hilfe Don Bosco die ursprüngliche Idee der „externen Salesianer“ weiterverfolgt hatte, machte große Fortschritte. Im Schriftenapostolat war der Orden inzwischen international tätig: Die 1877 begründete Zeitschrift Bollettino Salesiano verfügte seit 1879 über eine französische, seit 1886 über eine spanische und seit 1895 über eine deutsche Ausgabe. Erste Don Bosco-Biografien erschienen seit Beginn der 80er Jahre in verschiedenen Sprachen.
An die Stelle Don Boscos als Generaloberer des Ordens trat Michael Rua, der schon seit 1884 das Amt des Vikars bekleidet hatte. Unter Don Rua, dessen Todestag sich 2010 zum 100. Mal jährt, wurden die Salesianer Don Boscos endgültig zu einer weltweiten in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika tätigen Gemeinschaft.